Pressemitteilung vom 10.06.2022
Gute Aussichten für die "Königin des Waldes"

Gruppenfoto in einem Plenterwald

Foto: Conny Nigg

Die Bergwaldoffensive und der Markt Scheidegg haben ein zweitägiges Weißtannen-Symposium veranstaltet. Rund 200 Teilnehmer verfolgten die spannenden Vorträge rund um die faszinierende Baumart.

Scheidegg – Hat die Weißtanne in den Allgäuer Wäldern eine Zukunft? In Zeiten des Klimawandels ist das eine wichtige Frage. Für den bisherigen „Brotbaum“ der Forstwirtschaft, die Fichte, wird es in tiefen Lagen mehr als eng, im Bergwald wird sie nur in der Mischung mit Buche, Tanne und anderen Baumarten überleben. Hat also die Tanne als „Ersatz-Nadelbaum“ Zukunft? Ja, da waren sich die Referenten und Teilnehmer des Symposiums „Weißtanne – Zukunftsbaum!?“ in Scheidegg einig. Für Holzbauunternehmerin Sonja Zeh-Rudolph ist die Tanne gar „die Königin des Waldes“.

Vorteile der Tanne

Nach allem was die Wissenschaft weiß, kommt die Tanne mit dem Klimawandel besser zurecht als die Fichte. Botaniker und Waldbauexperten nennen die Weißtanne „konkurrenzstark gegenüber anderen Baumarten“. Sie wachse „schnell und lang anhaltend“, sei „risikoarm“, überbrücke Trockenphasen und Stürme besser als die Fichte. Zudem erhöhen Tannen die Artenvielfalt und reduzieren das ökonomische Risiko der Waldbesitzer. „Bei Extremereignissen können Mischbestände mit Weißtanne ökonomische Verluste reduzieren“, so Prof. Dr. Thomas Knoke von der TU München. Da wundert es nicht, dass Plenterwaldbesitzer Tobias Ihler eine „Weißtannen-Offensive“ forderte.

Tanne und Jagd

Gefahr droht der Tanne vor allem von zu hohen Wildbeständen. Die Triebe der jungen Bäumchen sind quasi die Leibspeise des Rehwilds. Ohne engagierte Jagd wird es also nichts mit der Umgestaltung bestehender Fichtenreinbeständen in klimafitte Mischwälder. Jäger Markus Boch erläuterte sein erfolgreiches Jagdkonzept für den Plenterwald und bemängelte, dass „das Jagen im Wald vernachlässigt wird“. Eigentlich kann nur Wildverbiss „die Naturverjüngung der Tanne verhindern“, Privatdozent Dr. Gregor Aas von der Uni Bayreuth, mahnt allerdings auch „tannegerechten Waldbau“ seitens der Forstwirtschaft an.

Vermarktung des Holzes

Ein weiterer Knackpunkt ist die Tannenholzvermarktung. Die Bearbeitung von Fichten- und Tannenholz, zum Beispiel die Trocknung, unterscheidet sich erheblich. Waldbesitzer sollten deswegen die Hölzer getrennt sortiert anliefern. Das eröffnet Chancen für die regionale Wertschöpfungskette. Während große Sägewerke außerhalb des Allgäus auf schnellen Durchlauf von Massenware ausgelegt sind, suchen Allgäuer Säger durchaus Tannenholz. Benedikt Bitzer vom Säge- und Hobelwerk Waltenhofen versicherte, sein Unternehmen bekomme aus der Region gar nicht genügend hochwertiges Holz von der Weißtanne, müsse es unter anderem aus dem Schwarzwald importieren. Dabei ist der Holzvorrat in den Allgäuer Wäldern groß genug, um die regionale Nachfrage zu befriedigen. Auf nachhaltiges Wirtschaften mit kurzen Wegen setzen auch Holzbauer wie Zeh in Maierhöfen und Schreiner wie Ewald Kuhn aus Weiler. Sie schwärmen geradezu von den vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten und dem hohen ästhetischen Wert des Tannenholzes. Jetzt müssen nur noch die Bauherren, etwa die Kommunen, mitziehen. Rainer Lindermayr von f64 Architekten präsentierte etliche Beispiele für gelungene Bauten aus Tannenholz.

Tanne im Fokus

Ziel des Symposiums „Weißtanne – Zukunftsbaum!?“, das die Bergwald-Offensive am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kempten und die Marktgemeinde Scheidegg gemeinsam veranstalteten, war es, die gerade im Klimawandel wichtige Baumart in den Fokus zu rücken. Förster Florian Schwarz, der das Symposium organisiert hat, zeigt sich mit dem Interesse an der Vortragsreihe sehr zufrieden. „Es ist uns gelungen, einen Beitrag zur Stärkung der Weißtanne in der Region zu leisten.“ Rund 200 Akteure der Wertschöpfungskette Wald-Holz nahmen teil: Waldbesitzer, Säger, Holzbauer, Schreiner und weitere „Tannenbegeisterte“. Viele Teilnehmer reisten auch aus dem benachbarten Baden-Württemberg und aus Vorarlberg an.

Schlusswort

Simon Östreicher, der Leiter der Forstverwaltung, zieht das Fazit: „Die Weißtanne hat in unserer Region Zukunft, ist im Klimawandel Teil der Lösung. Aber sie allein kann nicht alle Probleme bewältigen, sondern muss in Zusammenspiel mit anderen Baumarten klimastabilen Mischwäldern bilden.“

Was sind Plenterwälder?
Plenterwälder, wie sie im Westallgäu, im Schwarzwald und in der Schweiz vorkommen, sind aus den sogenannten Bauernwäldern hervorgegangen. Die Bauern haben die Prinzipien der Plenterwirtschaft, ganz ohne Forstwirtschaftsstudium, intuitiv durch Beobachten natürlicher Vorgänge entwickelt. Da die Landwirte nur kleine Waldflächen besitzen und jederzeit Holz für alle möglichen Zwecke benötigten, waren großflächige Kahlschläge tabu. Es gilt das Prinzip der Einzelbaumentnahme. Plenterwälder sind durch ein Nebeneinander von Bäumen aller Dimensionen (viele dünne, wenig dicke) gekennzeichnet, sie sind sich stetig verjüngende Dauerwälder. Die Plenterwirtschaft ist die anspruchsvollste Form der Waldbewirtschaftung. Eingriffe dürfen weder zu groß noch zu klein ausfallen. In der Regel dominieren die Baumarten Tanne, Fichte, Buche. Beispielsweise im Mischungsverhältnis 60 zu 30 zu 10.